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Woodstock in der Nordheide

70.000 Rock-Fans beim Hurricane-Festival in Scheeßel

Hurricane-Festival in ScheeßelEinmal im Jahr ticken die Uhren in Scheeßel anders. Zum „Hurricane-Festival“ strömen tausende Rockfans aus allen Teilen Deutschlands in die an sich ruhige Gemeinde im Norden der Lüneburger Heide. In diesem Jahr sind es 70 000. Und wenn sie anrücken mit ihren Zelten, Schlafsäcken, Bierpaletten und Ravioli-Dosen, dann beginnt für Landwirt Folkert Meyer aus dem 770-Seelen-Ortsteil Westervesede die fünfte Jahreszeit. „Was für die Rheinländer der Karneval, ist für uns das Festival“, sagt der 46jährige Familienvater. Schon seit 14 Jahren stellt Meyer sich und seinen Bauernhof auf die Mammut-Veranstaltung ein.

Bauer Meyer und seine KüheAls erstes bringt er seine 65 Kühe in Sicherheit. „Die bekommen drei Tage Hausarrest“, sagt Meyer. Er will nicht das Risiko eingehen, dass die Tiere wegen des Lärms ausbrechen und Schaden anrichten. Gleich neben der Weide am Kuhstall rangieren Wohnwagen, Doppeldecker-Busse und Trecker mit bunten Bauwagen um die besten Stellplätze. Für Folkert Meyer ist das nichts Besonderes mehr. Er gehört von Anfang an zu den Bauern, die ihre Ackerflächen für die Spaß-Tage der jungen Leute zur Verfügung stellen. 30 Hektar Roggen mussten in diesem Jahr der Bühne, den Parkflächen und den Campingplätzen weichen.

„Hier kann ich mal vier Tage lang die Sau rauslassen, ohne dass mir jemand sagt, was ich zu tun und zu lassen habe“, bringt es ein junger Mann mit Spiegel-Sonnenbrille auf den Punkt. Er sitzt mit seinen Freunden schon zum Frühstück am Grill, die Dose Bier in der ungewaschenen Hand. Sie hausen zwischen Müllbergen und Dixi-Toiletten und genießen ihre Freiheit. „Schön ist es auf der Welt zu sein..“, singt eine Truppe angetrunkener Männer vom Dach eines alten Lastwagens. Die Lebensfreude dieser Generation 2010 ist beim „Hurricane“ mit Händen zu greifen.

Public Viewing in ScheeßelEinen besonderen Event gibt es in diesem Jahr schon zu Beginn des Festivals. Zum Public Viewing des WM-Spiels Deutschland gegen Serbien drängen sich 40 000 Fußballfans vor einer Großbildleinwand. Doch die vielen schwarz-rot-goldenen Fahnen werden an diesem Tag kaum geschwenkt – es regnet in Strömen und die eigene Mannschaft verliert mit 0:1. Doch dieses Ergebnis tut der allgemeinen Stimmung keinen Abbruch. Direkt nach dem Spiel tanzt die Masse zu den beiden großen Bühnen auf dem Hauptgelände, wo es die ersten Bands richtig krachen lassen.

Fans beim Hurricane-Festival„Billy Talent“, „Beatsteaks“, „The Prodigy“ – oder „Massive Attack“ – diese Gruppen haben in der Szene einen Namen und verwandeln die Menge schnell in eine tanzende und grölende Spaß-Gesellschaft. Auch Landwirt Folkert Meyer lässt sich die Auftritte nicht entgehen. Jeden Tag fährt er zusammen mit seiner Frau und seinen Söhnen per Fahrrad auf das Gelände. „Ich finde Madsen gut – die Band aus dem Wendland“, sagt der jung gebliebene Landwirt. Eintritt muss er nicht bezahlen – er arbeitet eng mit dem Veranstalter zusammen. Denn wenn es zu regnen beginnt und sich die Autos auf den nassen Weiden festfahren, dann ist Landwirt Meyer schnell mit seinen Kollegen zur Stelle. Zusammen mit elf anderen Landwirten hat Meyer eine Trecker-Einsatztruppe organisiert. Doch in diesem Jahr bleibt es weitgehend trocken – die Trecker bleiben auf den Höfen. Ein zweites Woodstock mit wilden Schlammschlachten bleibt beim „Hurricane 2010“ in der Nordheide aus.

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