„So ein Tag!“ – aus Lüneburg
Zufallsbekanntschaften in Norddeutschland
„Es ist meine Lebensaufgabe, das Haus meiner Eltern leer zu räumen!“ Das sagt Martje Staudt aus Lüneburg – und sie untertreibt nicht. Moderator Sven Tietzer trifft die 52jährige Frau am Altpapier-Container, wie sie dabei ist, ganze Umzugskartons voller Bücher zu entsorgen. Ihr Vater war Lehrer – da ist mit den Jahren einiges zusammen gekommen. Zu Hause hat sie zwei große Kellerräume voller „Müll“, wie sie sagt. Das ist auch der Grund dafür, dass sie sich nicht spontan bereit erklärt, sich einen Tag von der Kamera begleiten zu lassen. Dann stimmt sie aber doch zu – und nimmt das NDR-Team mit. Martje Staudt sagt: „Herzlich willkommen in meiner Müll-Villa!
Vor fünf Jahren ist ihre Mutter gestorben, vor sieben Jahren ihr Vater. Beide waren über 80 Jahre alt. Seitdem wohnt Martje allein in dem Haus – zusammen mit ihren beiden Hunden Chico und Nando sowie mit ihrem weißen Kater. Martje hat zwei Kinder. Ihr Sohn ist 28 und hat beruflich mit Leergut-Automaten zu tun. Er hat sich gerade von seiner Freundin getrennt und wird bald zu seiner Mutter ziehen. Die Tochter ist 26 und arbeitet in Hamburg in einem Sanitärgeschäft. 20 Jahre lang hat die Familie auf der Schwäbischen Alb gelebt – nach der Trennung von ihrem Mann ist Martje wieder nach Norddeutschland gezogen.
Moderator Sven Tietzer bietet seine Hilfe an. Gemeinsam entrümpeln die beiden einer der beiden Keller. Und dabei kommt einiges zum Vorschein: Unmengen von Fotos, säuberlich archiviert in Schachteln und Alben, dazu tausende von Dias in schweren Metallkisten. Der Vater war Geografie-Lehrer und hat all seine Reisen dokumentiert und für die Nachwelt festgehalten. Diese Nachwelt sind unter anderem Martjes Schwestern, die irgendwann alles sortieren und auswerten wollen. Eine Flasche mit Himbeerwein aus den 50er Jahren sieht nicht mehr so appetitlich aus, die schwarz-weißen Kunstdrucke dagegen könnten wertvoll sein. Aber Martje hat zurzeit nicht die Energie, sich darum zu kümmern.
Denn sie ist Krankenschwester und macht ausschließlich Nachtschichten. Tagsüber schläft sie meistens, nachts kümmert sie sich um Wachkoma-Patienten. Ein anstrengender Beruf, der Martje oft an ihre Grenzen bringt. Darum hat sie auch am Haus und im großen Garten noch nicht viel geschafft. Sie lebt immer noch in Wänden ihrer Eltern – kann sich von vielen Erinnerungen an ihre Kindheit nicht so richtig trennen. Sie gibt zu: „Den Schalter hab ich irgendwie noch nicht umgelegt!
Am Ende des Tages haben der Moderator und die Krankenschwester einiges geschafft. Sven Tietzer begleitet die alleinstehende Frau noch auf den Friedhof. Jeden Tag geht sie dorthin, spricht sogar manchmal mit ihren Eltern. Und sie glaubt an ein Leben nach dem Tod. Viele ihrer Patienten, die bereits gestorben waren und reanimiert wurden, haben ihr erzählt, dass sie über ihrem Körper schwebten und alles mitbekommen haben. Martje Staudt glaubt daran, dass sie ihre Seele weiter lebt.
Wiederholung: 23. August 2012 um 13.00 Uhr, NDR-Fernsehen
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