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„So ein Tag!“ – aus Hildesheim

Zufallsbekanntschaften in Norddeutschland

Das Wetter kann sich nicht entscheiden an diesem Freitag in Hildesheim. Bleibt es trocken oder gibt es gleich einen Wolkenbruch – alles ist möglich. Zur Not haben wir einen Regenschirm dabei. Auf dem malerischen Marktplatz mit dem berühmten Knochenhauer-Amtshaus sprechen wir die ersten Leute an – zunächst gibt es drei Absagen. Doch dann treffen wir Klaus Krawczak aus Vechelde. Er fällt auf durch seine knallgelbe Jacke – ist aber sonst eher ein unscheinbarer Typ. Er ist spontan bereit, sich den ganzen Tag mit der Kamera begleiten zu lassen.

Johann Ahrends im Gespräch mit Klaus KrawczakGerade hat Klaus Krawczak sein BMW Cabrio in einer Hildesheimer Werkstatt zur Reparatur abgegeben. Irgendetwas stimmt nicht mit den elektrischen Fensterhebern. Drei Stunden hat er nun Zeit – als erstes will er einen ganz bestimmten Laden suchen. Denn er ist leidenschaftlicher Modellbauer und sucht für seinen Hubschrauber ein seltenes Ersatzteil. Noch weiß er nicht, ob er es in diesem Fachgeschäft bekommen kann. Der 67jährige kennt sich überhaupt nichts aus in Hildesheim – aber orientierungslos ist er nicht. Denn Klaus Krawczak hat ein mobiles Navigationsgerät. Und das führt ihn durch die Fußgängerzone sicher und zuverlässig ans Ziel.

Auf dem Weg erzählt uns Klaus Krawczak, dass er schon mit 55 Jahren in Vorruhestand gehen musste – die Firma Siemens hatte ihn damals wegrationalisiert. Seitdem ist er zu Hause und hat nun alle Zeit der Welt. Und die verbringt er oft alleine. Denn nur ein Jahr nach der Kündigung hat er sich nach 35 Ehejahren auch von seiner Frau getrennt. Plötzlich war sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt.

Im Modellbau-Laden erkennen Geschäftsinhaberin Sabine Tronk und Ehemann Georg gleich die Lage – unser Kamerateam wird freundlich aufgenommen. Das Ehepaar freut sich, einmal frei von der Leber mit großer Leidenschaft von ihren Modellfliegern schwärmen zu dürfen. Sie lassen sogar einen Mini-Hubschrauber für uns fliegen - kreuz und quer durch die Verkaufsräume. Klaus Krawczak bestellt nach dieser kleinen Show-Einlage das spezielle Ersatzteil für seinen Hubschrauber. Und dann geht es weiter.

Draußen beginnt es jetzt zu regnen. Mit Regenschirm gehen wir durch die Stadt – zwei Stunden haben wir noch Zeit, bevor das reparierte Auto abgeholt werden kann. Wir kommen auf die Idee, den höchsten Kirchturm Niedersachsens zu besteigen. 114,35 Meter ist der Turm der St. Andreas Kirche hoch. Am Eingang erklärt uns der Turmwärter, dass es 364 Stufen bis nach oben sind – „für jeden Tag des Jahres eine Stufe – außer Silvester“, schmunzelt er. Wir beginnen mit dem Aufstieg der Wendeltreppe und kommen etwa auf halber Strecke an einen kleinen Automaten, in den man 50 Cent stecken muss. Dann geht ein Licht an und die riesigen Glocken der Kirche sind zu sehen. Es kostet uns schon einige Mühe, die Strapazen bis ganz nach oben zu bewältigen- die Oberschenkel schmerzen. Am Ziel werden wir aber mit einem herrlichen Rundumblick für die Mühe entlohnt. In dem Rondell haben wir nun Zeit uns auszuruhen. Dabei erzählt Klaus Krawczak, dass es damals nicht einfach für ihn war, plötzlich zum alten Eisen zu gehören. Sein Hobby aber hat ihn über vieles hinweggetröstet.

14 Uhr: Am Bahnhof fährt ein BMW vor – Klaus Krawczak wird von seiner Werkstatt abgeholt. Die Dame hinter dem Steuer reagiert völlig locker auf unser Team, das sich plötzlich mit in ihr Auto zwängt. Sie sei Praktikantin, erzählt sie uns, auf Umschulung. Ihr Name: Frau Kuschel aus Holle. Das klingt nett, finden wir, und das ist sie auch.

Die Werkstatt hat die Reparatur erledigt – jetzt geht es mit dem 318er Cabrio nach Hause – offen versteht sich. Da aber immer noch Regen in der Luft liegt, spannen wir auf dem Rücksitz vorsichtshalber den Regenschirm auf. Doch es bleibt trocken.

Klaus Krawczak wohnt 30 Kilometer entfernt – in Vechelde bei Braunschweig. Dort lebt er alleine in einer Drei-Zimmer-Wohnung – mit Geisha, einer Gast-Katze, die er eineinhalb Jahre in Pflege hat. Sie gehört seiner Ex-Frau, die mit ihrem neuen Mann nach Syrien gezogen ist.

Im Wohnzimmer bekommen wir einen leichten Schreck. Denn auf einem Sessel sitzt eine lebensgroße Schaufensterpuppe. Nein, komisch findet Klaus Krawczak das nicht. Die Polizei würde sogar dazu raten, damit Einbrecher abgeschreckt werden. Und einen Namen habe er ihr auch nicht gegeben. Aber manchmal zieht er seine Puppe um – im Sommer trägt sie ein T-Shirt, im Winter bekommt sie einen Pullover an. Klaus Krawczak erzählt uns von seiner Scheidung, von seinem Leben als Single und von seinem verstorbenen Kater Robby. Das Tier war sein Ein und Alles – es hat ihm fast das Herz gebrochen, als Robby eingeschläfert werden musste. Und während er das erzählt, kommen ihm fast die Tränen.

Der ModellbauclubZum Schluss des Tages will er uns noch unbedingt seinen Modellbau-Club vorstellen. In Wipshausen haben die begeisterten Hobby-Flieger eine Wiese gepachtet und ein kleines Vereinshaus gebaut. Am Sonntag ist dort ein so genanntes Freundschaftstreffen. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren – es wird geputzt, aufgeräumt – und der Vorsitzende mäht gerade den Rasen, als wir mit dem Cabrio vorfahren. Wir würden ja jetzt gerne mal so ein Ding fliegen sehen. „Wenn ich mit dem Rasen fertig bin“, sagt Vorsitzender Egbert Ziemen. Und auch die anderen holen noch schnell ihre Modelle von zu Hause. Bei stürmischen Böen und leichtem Regen bekommen wir am Schluss dann noch einiges geboten: Flug-Akrobatik mit Modell-Hubschraubern auf einer Wiese zwischen Hannover und Braunschweig. Klaus Krawczak ist happy – für ihn war dieser Tag mit unserem Team ein ganz besonderes Erlebnis- davon wird er noch lange erzählen.

1. Klaus Krawczak schrieb am 18.07.2007

Hallo Herr Ahrends,

als wäre es "der Tag" gewesen, so hat mich der Film wieder AN diesen Tag erinnert.

Mir fallen nur wenige Tage aus der jüngeren Vergangenheit ein, die einen ähnlich nachhaltigen Eindruck hinterließen.
Da kommt noch hinzu, dass man sich selbst ja sonst nur im Spiegel sieht. In diesem Film aber, hat man das Gefühl man begleitet sich selbst und erlebt alles noch einmal, nur aus einem anderen Blickwinkel.
Wenn ich weiter darüber nachdenke, war auch die Begegnung mit Ihnen und Ihrem Team, wie vorbestimmt.
Denn solange ich in Vechelde wohne und einen Wagen von dieser Firma fahre, wurde jeder Werkstattbesuch über die Annahme in Peine geregelt. Von dort bekam ich einen Leihwagen und mein Wagen wurde von der Firma nach HI gebracht.
In diesem Fall wollte ich aber selbst nach Hildesheim und es war DIE richtige Entscheidung.

Auch wenn ich mich wiederhole, noch einmal recht herzlichen Dank für diesen Tag.

Ihnen und dem Team alles Gute.

Klaus Krawczak

2. Klaus Krawczak schrieb am 15.08.2007

Hallo Herr Ahrends,

"So einTag", immer wieder Dienstags aufs Neue. Es ist schon eigenartig wie ein Mensch sich auf ein Ereignis einstellen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Krawczak