„So ein Tag!“ – aus Hameln

Zufallsbekanntschaften aus Norddeutschland

Rattenfängerstadt Hameln an einem Freitagmorgen um zehn Uhr. Wir fragen zuerst eine junge Lehrerin, ob wir sie den ganzen Tag mit der Kamera begleiten dürfen. Sie findet die Idee klasse und hätte auch mitgemacht, aber sie hat ihre Schulklasse dabei – und minderjährige Kinder dürfen nicht aufgenommen werden, ohne dass die Eltern zustimmen. Schade. Der zweite Hamelner ist ein Gerichtsvollzieher. Spannend, denken wir – das könnte doch was sein. Aber er sagt uns, dass er den ganzen Tag nur Schreibtisch-Arbeit zu verrichten hat. Doch zu langweilig. Und dann kommt einer um die Ecke mit zwei verpackten Blumensträußen in der Hand. „Was haben Sie heute denn noch vor“, fragen wir. Seine Antwort: „Ich heirate!“ Bingo. Der ist es!

Grundsätzlich würde er schon mitmachen, sagt er. Nur müsse er seine Zukünftige noch fragen – und die sitzt zu dem Zeitpunkt zusammen mit ihrer Tochter bei der Kosmetikerin in der Parfümerie Douglas. Ein Lokalreporter der Deister-Weser-Zeitung hat sich uns bereits angeschlossen – er fotografiert die Szene, wie wir mit Jörg Loeding in das Geschäft gehen. Claudia Wehrhahn ist im achten Monat schwanger – aber trotzdem spontan einverstanden – nur die neunjährige Tochter Lisa-Marie ist skeptisch. Und für die Mutter ist klar: Wenn meine Tochter nicht will, dann machen wir das nicht. Die Überredungsversuche beginnen.

Zusammen mit dem festlich gekleideten Brautpaar gehen wir zum Standesamt. Noch ist keiner der Gäste da. Lisa-Marie ist sauer – sie will das alles nicht. Doch Stiefvater Jörg redet auf sie ein. Dann kommt die Trauzeugin der Braut – die klassische beste Freundin fällt Claudia um den Hals, sagt uns den Tränen nah, wie wichtig ihr dieser Tag ist. Immer mehr Gäste trudeln nun ein. Die Mutter von Jörg ist gekommen. Sie ist stolz, dass nur endlich der jüngste ihrer drei Söhne unter die Haube kommt. Auch sie ist nah am Wasser gebaut – kämpft mit den Tränen. Und dann geht es los. Lisa-Marie hat sich beruhigt – die etwa 20köpfige Truppe aus Verwandtschaft und Freunden zieht ins Standesamt ein. Jetzt folgen drei Minuten stiller Andacht – zu einem Liebeslied von Marc Terenzi aus einem Cassetten-Recorder sieht man gespannte Erwartung, aufgeregte Hände und zart lächelnde Gäste.

Die Trau-Zeremonie ist klassisch – mit vielen Gedichten und guten Worten – und dann mit dem zitternden Ja-Wort. Alle fallen sich in die Arme, Jörgs Mutter weint – und der Bruder schenkt schon mal den Sekt ein. Auch der Moderator gratuliert höflich – Kameramann und Ton-Assistent schließen sich an.

Draußen warten schon die Freunde mit zwei Überraschungen. Zuerst müssen Jörg und Claudia ein Laken mit einem roten Herzen zerschneiden – dann bekommen sie eine Wäscheleine mit Baby-Kleidern überreicht. Lisa-Marie erzählt uns, dass es ein Junge wir und er Robin heißen soll. Ein Freund fährt den Hochzeitswagen – und wir dürfen mitfahren. Das Ziel: Ein Restaurant im Wald – hier gibt es den besten Jungschweinschinken-Braten. Zum Essen dann die nächste Überraschung: Ein Leierkastenmann ist gekommen – mit dem Hochzeitsmarsch sprengt er die Runde. Es folgt ein Walzer zum Ehrentanz – und dann noch: „So ein Tag…“

Claudia und Jörg erzählen uns, wie sich kennen gelernt haben. Und wir erfahren, dass Jörg eigentlich für eine andere bestimmt war. Zwei Stunden später zieht die Fest-Gesellschaft um – in die Wohnung der Frischvermählten – ein Mehrfamilienhaus im Stadtteil Afferde. Hier ist alles sehr eng. Lisa-Marie zeigt uns ihr Zimmer – die Wände beklebt mit Monrose-Plakaten. Und sie zeigt uns ihre geheime Schatzkiste. Sie ist nun endgültig auf unserer Seite. Und ihre Mutter liebt Kuh-Motive. Die ganze Wohnung ist voll davon – Skulpturen, Fotos, Modelle – sogar eine fliegende Kuh schwebt über der Festtafel.

Bei Kaffee und Kuchen philosophieren die Gäste über die Ehe. Und Jörgs Mutter hier zum interessantesten Interviewpartner. Nach 37 Jahren Ehe habe ihr Mann sie verlassen, erzählt sie uns. Aber jetzt habe sie einen neuen Lebenspartner, der leider an diesem Tag im Krankenhaus liegen muss: „Dem muss ich heute Abend alles genau erzählen. Das glaubt der nie, dass das Fernsehen da war!“

Nach acht Stunden Hochzeitsfeier gehen bei der hochschwangeren Claudia die Kraftreserven zu Ende. Völlig erschöpft kuschelt sie sich im Sofa an ihren Mann. Als dann um 19 Uhr noch die gesamte Fußballmannschaft von Jörg mit Schlachtgesängen die Treppe hochkommt, verabschieden wir uns. Jetzt wird es dann doch zu voll in der Wohnung. „Eigentlich wollten wir ja bis zur Hochzeitsnacht hier bleiben“, sagt der Moderator. Schlagfertig liefert Claudia die Antwort – und zeigt auf ihren kugelrunden Bauch: „Ach, ihr könnt ruhig gehen – da werdet Ihr nicht viel verpassen.“

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