Im Ruhestand am Nordseestrand
Alt werden auf Baltrum
Baltrum hat 500 Einwohner, viele Menschen möchten ihren Lebensabend auf der kleinsten ostfriesischen Insel verbringen. Pflegenotstand soll dort zumindest kein Problem sein. Deshalb haben die Baltrumer „Gode Tied“, einen Pflegedienst in Eigeninitiative, gegründet. Wie sieht das „Altseind“ wirklich aus? Um das herauszufinden, haben wir ein Jahr lang drei Senioren im Ruhestand mit der Kamera begleitet. Herausgekommen ist eine eindrucksvolle Dokumentation für die ZDF-Reihe „37 Grad“. Und darum geht es:
Baltrum ist die kleinste ostfriesische Insel, fünf Kilometer lang und 1,5 Kilometer breit, die Welt scheint hier noch heil zu sein. Das macht Baltrum attraktiv, sowohl für die Touristen, die jährlich kommen, aber auch für die „Alten“. Sie wollen, solange es geht, auf der Insel bleiben. Um das möglich zu machen, gibt es den Pflegedienst „Gode Tied“. Vor zehn Jahren von der damaligen Inselärztin Ellen Althainz ins Leben gerufen. Der Verein hat 160 Mitglieder, jeder bezahlt 60 Euro pro Jahr, zwei Pflegerinnen werden durch Pflegegeld und Krankenkasse bezahlt, so können die „Altend“ zu Hause versorgt werden. Davon profitieren auch pflegebedürftige Urlauber und die Zugereisten, die auf der Insel im Alter Gemeinschaft und Unterstützung suchen. Doch wie sieht das „Altsein“ auf Baltrum aus? Der 37° Film begleitet alte Insulaner und „zugewanderte“ Senioren.
Eingebettet in die Großfamilie: Olga ist bereits 93 Jahre alt, sie genießt die Fürsorge ihrer Kinder, Enkel und Urenkel. Viel von ihnen leben auf der Insel - vermieten an Feriengäste oder arbeiten in der Gastronomie. Olga ist gleich nach dem Krieg nach Baltrum gekommen und hat zusammen mit ihrem Mann in einer Bretterbude Lebensmittel verkauft. Seit 70 Jahren kümmert sie sich um die Buchführung - zuletzt auch für den Hotelbetrieb ihres Enkels Olaf. Dessen Tochter Lena ist jetzt in den Betrieb eingestiegen und wird gerade von ihrer Ur-Oma eingearbeitet.
Olgas Lebensmotto: So selbstständig wie möglich bleiben! “Ich möchte noch so viel, was ich selber machen kann, auch selber machen. Sie meinen es alle gut. Aber wenn ich das selber kann, dann sollen sie mich gewähren lassen. Olga kocht manchmal für die Familie, geht einkaufen und fährt auch selbständig mit ihrem Elektromobil zum Arzt. Einmal am Tag kommt der Pflegedienst und versorgt die rüstige Rentnerin mit Kompressionsstrümpfen. Im Sommer heiratet ihr erster Urenkel Nils - da möchte sie auf alle Fälle dabei sein.
„Die Insel bedeutet mir eigentlich alles. Ich möchte hier sterben. Wirklich wahr. Ich möchte nicht ans Festland.“ Jupp (80) ist als fröhlicher Gastwirt zum „Inseloriginal“ geworden. 1966 kam er zusammen mit Ehefrau Ulla nach Baltrum und hatte es anfangs nicht leicht mit den Einheimischen. Aber Jupp mischte sich schnell überall ein, spielte Theater, predigte in der Kirche und saß im Inselrat. Und während seine Frau im Restaurantkeller das Essen kochte, versorgte er die Gäste an der Theke mit Getränken und Witzen.
Doch nun musste er den „Seehund“ an seine Tochter Martina übergeben, denn Jupp ist krank. Mehrmals musste er schon mit dem Hubschrauber ans Festland ins Krankenhaus gebracht werden. Zurück auf der Insel wird er nun jeden Morgen vom Pflegedienst versorgt. Jupp hat einen sehnlichen Wunsch, er will auf der Insel bleiben. Doch wie lange wird er noch Einheimische und Touristen unterhalten und mit seinem Elektrorollstuhl „Silberpfeil“ im Dorf unterwegs sein?
Renate (69) und Günther (80) sind „Zugereiste“. Sie leben erst seit sieben Jahren auf Baltrum. Renate hat nur noch einen Drittel ihrer Lunge und braucht die Nordseeluft zum Atmen: „Ich sage immer, wenn es später kein Paradies gibt, ist das nicht so schlimm. Ich hatte das schon zu Lebzeiten auf Erden.“ Für ihren Mann steht die Gesundheit seiner Frau an erster Stelle. Die „Integration“ war anfangs nicht leicht. Doch Günther ist Musik-Lehrer und hat auf der Insel eine Brassband mit Jugendlichen gegründet, um Kontakt zu bekommen.
Die beiden haben bereits auf anderen Nordseeinseln gelebt, aber auf Baltrum können Rollstuhlfahrer direkt ans Meer fahren - deshalb musste es im Alter diese Insel sein. Mitten im Dorf haben sie sich ein kleines gemütliches Haus gebaut - für einen ruhigen Lebensabend ohne Autos, Lärm und Stress. Renate geht es seitdem besser. Jeden Tag geht sie mit Hündin Jule spazieren. Doch Günthers Gesundheitszustand wird immer schlechter, er hat Diabetes und muss vom Pflegedienst versorgt werden.
JOHANN AHRENDS ÜBER SEINEN FILM:
Als gebürtiger Ostfriese habe ich schon oft darüber nachgedacht, im Alter in meine Heimat zurückzukehren und dann vielleicht auf einer der ostfriesischen Inseln zu wohnen. Insofern lag mir dieses Thema auch persönlich am Herzen. Es ging also darum, zu überprüfen, was es bedeutet, auf einer Insel alt zu werden. Ist das wirklich ein Traum? Oder birgt es auch Risiken und Probleme? Ein Jahr lang haben wir die Senioren Olga, Renate und Jupp mit der Kamera begleitet, sind mit ihnen durch Höhen und Tiefen gegangen. Diese Menschen haben mich immer wieder berührt, sie haben uns als Team teilhaben lassen an ihrem Leben. Ganz hautnah. Für mich war es eine Ehre, aber auch eine besondere Herausforderung, den Ruhestand von Jupp, Olga und Renate für 37 Grad dokumentieren zu dürfen.
Mit Olga war es immer unkompliziert. Sie ist mit ihren 93 Jahren eine der ältesten Einwohner Baltrums und gut aufgehoben in ihrer großen Familie. Das wurde bei unseren Dreharbeiten immer wieder deutlich. Ihre Tochter, ihre Enkel und Urenkel, sie alle kümmern sich rührend um Olga. Allerdings lässt sich die selbstbewusste Seniorin auch nicht gerne in ihrer Eigenständigkeit einschränken. Sie weiß noch genau, was sie will und auch, was sie nicht mehr kann. Ich habe Olga als eine gradlinige, unbekümmerte alte Dame erlebt, die immer auch für einen Scherz zu haben ist und lebensfroh am Inselleben teilnimmt. Für sie war es das Größte, jetzt noch die Hochzeit ihres ersten Urenkels erleben zu dürfen.
Mit Jupp war es schon schwieriger. Er kam zu Beginn unserer Aufnahmen gerade mit einer neuen Herzklappe aus dem Krankenhaus. Wir trafen ihn in einer für ihn neuen Situation. Ich kenne Jupp noch aus der Zeit, als er immer fröhlich hinter der Theke seine Gäste unterhielt, während seine Frau im Keller des Restaurants bis zu 200 Essen täglich kochte. Für ihn war das vergangene Jahr nicht einfach. Unmittelbar vor seinem 80. Geburtstag musste er mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus. Kurz danach wieder – Kreislaufkollaps. Als ich dann mit ihm in der Klinik telefonierte, war ich mir nicht sicher, ob er das Ende unserer Dreharbeiten noch erleben wird. Aber Jupp wurde in der REHA wieder aufgepäppelt, frohen Mutes und mit neuer Kraft kehrte er nach elf Wochen auf die Insel zurück. So lange war er noch nie auf dem Festland gewesen. Er erzählte uns auf der Fähre, dass er jetzt erfahren habe, was das Wort „Pflegenotstand“ eigentlich bedeutet. Er hätte es sich nicht vorstellen können. Denn auf Baltrum haben die Pflegekräfte noch Zeit für ihre Patienten.
Das sagt auch Helena, eine der beiden Pflegekräfte auf der Insel. Zusammen mit ihrer Kollegin betreut sie alte Insulaner und pflegebedürftige Urlauber. Der Pflegedienst nennt sich „Gode Tied“ und wurde vor zehn Jahren in Eigeninitiative der Insulaner gegründet. Die Menschen auf Baltrum wollten einfach nicht, dass ihre Senioren im Alter die geliebte Insel verlassen müssen, um auf dem Festland im Pflegeheim betreut zu werden. Die frühere Inselärztin Ellen Althainz hat sich damals für die alten Menschen stark gemacht und das einmalige Projekt ins Leben gerufen. Mit ihr konnte ich zu Beginn der Dreharbeiten noch sprechen – dann verstarb sie plötzlich und für mich völlig unerwartet. Es sollte nicht der einzige Todesfall dieser Produktion bleiben.
Auf einer Insel alt werden ist das Eine. Dort als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft aufgenommen zu werden, das Andere. Auch das habe ich jetzt erfahren. Renate und Günther Ludwig kamen vor sieben Jahren neu nach Baltrum. Die Friesen sagen „Fremdschiet“ zu den Zugezogenen, sagte Günther uns in einem Interview. Die beiden haben lange gebraucht, sich zu integrieren. Im Verlauf unserer Dreharbeiten wurde Günther krank – Diabetes. Im März verstarb auch er plötzlich und unerwartet. Am Vortag hatte ich noch mit Renate telefoniert, wollte wissen, wie es denn jetzt mit ihrem Mann weitergeht. Für mich die schwerste Zeit während der Dreharbeiten. Wir haben Renate danach besucht, haben bei ihr selbstgebackenen Kuchen gegessen, eine Tasse Ostfriesen-Tee getrunken, zugehört und mit ihr getrauert. Und an dieser Stelle wurde dann für mich eines deutlich: Auch wenn es schwer ist, als Fremder auf einer Insel anerkannt zu werden. In der Not stehen die Insulaner zusammen. Renate hat uns erzählt, dass sie nach dem Tod ihres Mannes sehr viel Zuwendung auf der Insel erfahren hat. Das war tröstend.
Was hat der Film am Ende bei mir persönlich bewirkt? Kann ich mir jetzt vorstellen, im Alter auf die Insel zu gehen? Ich kann diese Frage nicht eindeutig beantworten. Einerseits ist es die frische Luft, das Meer, der weite Horizont, die Wolken, die mich in meine Heimat zurückziehen. Andererseits muss man sich auf einer Insel aber auch anstrengen und anpassen, um wirklich dazuzugehören. Dieses Leben in einer kleinen Gemeinschaft von 500 Menschen, wo jeder jeden kennt und alle Geschichten innerhalb von Minuten die Runde machen. Das muss man aushalten – dafür muss man geschaffen sein. Eines aber steht für mich außer Frage. Wenn man pflegebedürftig ist oder krank, kann man sich auf Baltrum und auf „Gode Tied“ verlassen. Und man kann immer mit dem Rollstuhl ans offene Meer. Renate fragt: „Wo kann man das schon?“
War wirklich sehr schön und so emotional, hatte leicht Pipi in den Augen.
Die Personen, das Umfeld und die Schicksale sind meiner Meinung nach sehr
gut in Szene gesetzt, mich spricht das sehr an. Man muss sich allerdings
auch gut konzentrieren, um bei den ganzen Infos über die drei Hauptakteure
am Ball zu bleiben. Du transportierst hier auch Tränen ohne auf die
Tränendrüse zu drücken, das ist etwas Besonderes - also besonders gut.
Super! Gute und gefühlvolle Geschichten, sehr schöne Bilder. Und Helena kommt sehr gut rüber. Danke, auch im Namen von Gode Tied und letztich der ganzen Insel.
Hallo Herr Ahrends! Habe mir den Beitrag gerade in der Mediathek angesehen. Kompliment für diesen sehr ehrlichen und einfühlsamen Film! Den Jupp kenne ich auch noch, da ich einige Jahre regelmäßig auf Baltrum Urlaub gemacht habe. Viele Grüße aus Leer!
Klasse Film. Fünf Sterne, echt gut gemacht.
Ein sehr schöner Film...aber auch traurig.
Dein Film war wunderschön!
Glückwunsch, sehr bewegender Film
Ein Film mit viel Gefühl .. toll gemacht!!!
Toller Beitrag!!
Der Film ist großartig und Olga ist cool - Danke!
Tolle Sendung, herzlichen Glückwunsch.
Danke für diesen wunderbaren, sehr einfühlsamen Film. Und Olga ist der Hammer!
Bei 37 Grad 37 Grad gucken, habe ich auch noch nie gemacht
Ein sehr schöner emotionaler Film!
Sehr schöner,emotionaler Film.
Gratuliere zum Film übers Älterwerden auf Baltrum.
Ich habe mit den Dreien gefühlt 🤗
So ist jedes Leben doch anders...
Das sie so intergriert auf der Insel leben ist heutzutage im Alter beneidenswert
Toller Film 🎥
Liebe Grüße von Baltrum. Ich habe gerade den ZDF Bericht gesehen. Wirklich eine rundum schöne Sache. Kompliment dafür!
Sehr schön war es!
DAS WAR ein besonderes Meisterwerk. Brisante Thematik sehr gut mit Tiefgang, aber trotzdem leichtgängig verpackt, dass man nicht gleich verzweifelt zur Flasche greifen muss. Apropos muss - muss erst mal jemand nachmachen.
Super Film!! Wirklich tolle Charaktere und sehr berührend.
Tolles Ding. Ich habe den Beitrag vom Anfang bis zum Ende geschaut und sage: Daumen hoch👍 Weitermachen
Der Film über dieses wichtige Thema ist wunderbar und sehr emphatisch. An Jupp kann ich mich natürlich auch noch erinnern! Ich muss Baltrum unbedingt mal wieder besuchen...
War ein sehr schöner Beitrag. Hat mir sehr gut gefallen.
Anrührend, ...der Film
Ein gelungener Film!
Der Film war spitze!
Da kann ich nur zustimmen. War sehr schön.
Ich habe interessiert und vor allem auch sehr gerührt das Schicksal der gezeigten Rentner auf der Insel verfolgt.
Selten, dass eine Doku dieser Art so anrührend auf mich wirkt und mir auch
ein paar Tränen entlockt ...
Das Thema an sich ist für mich tatsächlich ein "Thema", denn als große
Insel-Liebhaberin könnte ich mir das Leben dort ja auch sehr gut
vorstellen.
Habe ich gestern Abend gesehen! ! Sehr,sehr schön....
Höchstes ostfriesisches Lob für den Film: Dar kannst nix to seggen.
War super interessant!
Der Film gehört lt. ZDF zu den Top 10 des Sendetages. Mehr als 2,5 Mio. Zuschauer saßen vor dem Bildschirm – auch ich.
Wohl alle waren berührt von der Offenheit und ungeschminkten Darstellung der Menschen in Grenzsituationen ihres Lebens. Dazu gehört Mut. Mut gehört auch dazu selbst in einer derartigen Lebenssituation nicht zu vergessen, dass die Integrations-
kraft der Ur-Insulaner, des „Dornröschen der Nordsee“ zu Wunden, die wohl wieder verheilt sind, geführt hat – erstaunlich bei einer Insel, auf die in jedem Jahr pro Einwohner weit mehr als 100 Gäste kommen.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es Ihnen gelungen ist, aus den etwas über 500 Einwohnern Baltrums, Menschen zu finden die sowohl zur Themenstellung passen als auch von faszinierender Authentizität sind.
Sehr emotional die Schilderung von Renate über den "Besuch" der Schwalbe. Sehr, sehr guter respektvoller Schnitt vor allem in den Betroffenheitsphasen.
Gratuliere
Das war ein sehr schöner und berührender Beitrag!
Gut gemacht! Ein sehr toller Film
Wirklich berührend gut gemacht, ganz toll! Wobei die "Insulaner" ja offenbar ein ziemlich sperriges Völkchen sein müssen
Ich war ganz begeistert von dem Film. War sehr schön.
Ich war ganz begeistert von dem Film. War sehr schön.
Was für ein schöner und rührender Film von dir.