Gemeinsam für unser Dorf
Bürgergenossenschaften - Anpacken mit Herz und Hand
Immer wieder Menschen verlassen ihr Dorf und ziehen in die Stadt. Die Folge: Tante-Emma-Läden, Gaststätten und Banken müssen schließen – in den Straßen sieht man immer mehr Leerstand. Seit einiger Zeit gibt es auch in Niedersachsen eine neue Gegenbewegung. Überzeugte Dorfbewohner nehmen ihr Glück selbst in die Hand und kämpfen gegen diesen Trend. Sie packen an mit Herz und Hand – und retten den Supermarkt, die Kneipe oder das Schwimmbad. Die Einwohner schließen sich zusammen und ziehen ehrenamtlich in einer Bürger-Genossenschaft an einem Strang. Die einen mit Tempo und großem Erfolg – andere brauchen länger und könnten manchmal verzweifeln.
In Harmstorf im Landkreis Harburg haben die Einwohner ihre 140 Jahre alte Dorfkneipe gerettet. Sie wurde geschlossen, sollte verkauft werden. Jan-Hinnerk Meinen und seine mehr als 200 Mitstreiter krempelten die Ärmel hoch, gründeten eine Bürger-Genossenschaft und machten sich an die Arbeit. Die Gemeinde kaufte den Gasthof und brachte die Immobilie als Einlage in die Genossenschaft ein. Mit vereinten Kräften entrümpelten sie es, bauten um und gestalteten Gaststätte, Clubzimmer, Saal und Kegelbahn neu. Mit einem neuen Pächter soll der Gasthof nun so betrieben werden, dass die Bürger ihren beliebten Treffpunkt behalten können.
In Bad Grund im Harz will eine Bürger-Genossenschaft den Marktplatz im Dorf beleben. Sie kauften für 20 000 Euro ein altes Haus und wollten dort zwei Ferienwohnungen und ein kleines Cafe einrichten. Bei der Entrümpelung des Dachbodens waren noch sehr viele Bürger dabei – später wurden es leider immer weniger. Und die Probleme wurden mehr: Die Baugenehmigung ließ mehr als ein Jahr lang auf sich warten, es meldete sich kein interessierter Pächter und die Kosten für die Sanierung gingen in die Höhe. Aber sie machen weiter und entwickelten neue Ideen. Jetzt soll der große Innenhof erstmal als Veranstaltungsfläche mit Leben gefüllt werden.
Einen regelrechten Kraftakt hatte die Bürgergruppe in Uslar im Solling vor der Brust. Mehr als ein halbes Jahr lang mussten sie in diesem Sommer auf ihr Schwimmbad verzichten, weil ein neues Dach, eine neue Lüftungsanlage und neue Scheiben nötig waren. Alle packen dort mit an – denn in Uslar steht die gesamte Kleinstadt hinter dem Projekt. Schon seit 14 Jahren gibt es dort im Solling eine Bürgergenossenschaft, die den kompletten Betrieb des Badelandes organisiert - 50 Bürger machen da regelmäßig kümmern sich um Technik und Personal und regeln selbständig den Kassendienst. Zudem unterstützt ein Förderverein das Bad jedes Jahr mit 60 000 Euro.
Das Dorf Otersen im Landkreis Verden ist schon bekannt für seinen Bürgersinn. Hier wird nicht nur eine Fähre über die Aller von den Bürgern betrieben, hier gibt es auch einen wohl sortierten Dorfladen mit angeschlossenem Cafe. Alles wird organisiert von der sehr aktiven Dorfgemeinschaft. Wegen steigender Lohnkosten wurde der Dorfladen nun in einen Hybrid-Laden umgebaut. Jetzt können die Menschen dort auch noch abends bis 21 Uhr einkaufen, an sieben Tagen die Woche – beobachtet von Kameras. Durch diese Maßnahme konnte nicht nur das Personalproblem gelöst werden, auch der Umsatz wurde um mehr als 20 Prozent gesteigert.
Für die Dokumentation aus der Reihe „nordstory“ hat der NDR diese vier Genossenschaften über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren mit der Kamera begleitet – und berichtet über Erfolge und Niederlagen.
Wiederholung: 28. November 2024 um 14:00 Uhr NDR Fernsehen
Nachruf
Wir trauern um Günter Lühning. Er verstarb am 20. Juni 2024 im Alter von nur 63 Jahren – wenige Wochen nach unserem letzten Drehtermin für die NDR-nordstory. Als Vorsitzender des Dorfladen-Vereins in Otersen hat Günter Lühning in unserem Film „Gemeinsam für unser Dorf“ eindrucksvoll dargestellt, wie man sich mit vollem Einsatz für das Zusammenleben auf dem Lande engagiert. Es war ihm wichtig, nicht nur vom „Dorfladen“, sondern vom „Dorfbegegnungsladen“ zu sprechen. Denn das Miteinander der Menschen lag ihm am Herzen. Darum hat sich Günter Lühning wohl auch bundesweit für die Entstehung und Entwicklung der Dorfläden verdient gemacht. Wir haben vor Ort bei unseren Dreharbeiten erlebt, wie sehr sich Günter Lühning für sein Herzensthema eingesetzt hat und wieviel Respekt und Dankbarkeit er dafür immer wieder erntete. Mit seinen Ideen hat er in Otersen dafür gesorgt, dass der Dorfladen auch mit weniger Personal und bei steigenden Kosten attraktiv und geöffnet bleiben kann. Die „Hybrid-Lösung“ mit erweiterten Öffnungszeiten war bis dato einzigartig für einen von Bürgern geführten Dorfladen in Niedersachsen – dieses Projekt machte Günter Lühning besonders stolz. Als Protagonist unseres Filmes stand er uns zu jeder Zeit mit seinen prägnanten Aussagen vor der Kamera zur Verfügung. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren und ihn nie vergessen.
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