Die Retter alter Häuser
Nordstory-Spezial: Immer mehr Menschen restaurieren historische Gebäude
Die einen restaurieren einen riesigen Gulfhof, die anderen bringen eine alte Burg wieder in Schuss und ein Dritter saniert die Stadt-Villa seiner Vorfahren. Einer möchte nur ein neues Dach, weil die historischen Ziegel undicht sind – ein anderer reißt alte Häuser ab, um sie auf seinem Mehrgenerationenhof wieder aufzubauen. Immer mehr Menschen im Norden entdecken ihre Erfüllung in der Rettung alter Häuser. Wir begleiten einige von ihnen nun schon seit fünf Jahren. In diesen 90 Minuten der „Nordstory-Spezial“ haben wir den Einsatz der Eigentümer dokumentiert und erzählen ihre ganz persönlichen Geschichten. Vom Baubeginn bis zu Fertigstellung.
Im Nordwesten Niedersachsens sind die Haus-Retter mit ihren Plänen, Ideen und Arbeiten nicht allein. Sie können sich für wenig Geld baufachlich vom Monumentendienst unterstützen lassen. Seit fast 20 Jahren gibt es diesen bundesweit einmaligen Verein im Weser-Ems-Gebiet, der mit öffentlichen Geldern von der EU, vom Land Niedersachsen und einigen Landkreisen finanziert wird. Die Inspektoren beraten die Eigentümer bei der Restaurierung, bieten Workshops für Heimwerker an und sichern historische Baustoffe bei Abriss-Arbeiten. Jedes Jahr macht der Monumentendienst etwa 300 Inspektionen. Der gemeinnützige Verein hat mehr als 2 000 Mitglieder – fast alle sind Eigentümer von alten oder denkmalgeschützten Häusern. Mit Hilfe des Monumentendienstes wurden bereits mehr als 1 800 historische Gebäude in Niedersachsen gerettet. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 60 Euro pro Jahr – die Inspektion eines kompletten Gebäudes 250 Euro.
Im kleinen Dorf Tengshausen im Wangerland hat Georg Jürgens von seinem Großvater einen großen Gulfhof geerbt – nur einen Steinwurf von der Nordseeküste entfernt. Zusammen mit seiner Familie will er daraus einen Treffpunkt für die ganze Familie machen. Georg und Alexandra Jürgens wohnen in Bremen und haben drei Kinder – Otto, Hubertus und Imma. So oft es geht sind sie in ihrer freien Zeit im Denkmal an der Nordsee. Mit von der Partie sind dann auch oft die Eltern von Georg Jürgens. Sie kommen aus Würzburg und fahren immer den weiten Weg für diese tolle Aufgabe. Ein Haus restaurieren mit drei Generationen – das macht ihnen große Freude. Als erstes wollen sie eine neue Küche einbauen. Außerdem werden drei historische Schränke von einem Restaurator aufgearbeitet.
Im Lager des Monumentendienstes sucht Familie Jürgens nach alten Heizkörpern. Dafür fahren sie nach Oldenburg - dort und in Jemgum werden historische Baustoffe gesammelt und gelagert. Allerdings dürfen die geretteten Türen, Fenster und Balken nur wieder in alte Häuser eingebaut werden. So bekommt Familie Jürgens einen Balken aus dem 16. Jahrhundert, der aus einem Abbruchhaus stammt und genau in die neue Küche passt. Für die Kinder ist der Hof ein großer Abenteuerspielplatz – dort können sie Trecker fahren, auf Bäume klettern oder in der großen Scheune toben. Direkt neben dem Gulfhof liegt unter einem Erdhügel eine echte Burg – beim Besuch von Archäologen erfährt die Familie mehr darüber.
Meldet sich jemand beim Monumentendienst, kommen die fachkundigen Mitarbeiter zu ihnen nach Hause und inspizieren zunächst das Bauwerk. Sie erstellen dann einen Inspektionsbericht, mit dem die Eigentümer dann Schritt für Schritt vorgehen können. Auch Frank Walther aus Varel hat als Mitglied so einen Bericht erhalten. Er hat von seinem Urgroßvater eine alte Stadtvilla geerbt. Das Gebäude gehört zur Maschinenfabrik Winicker & Lieber, in der Schneidemaschinen für Tabak und Kräuter gebaut werden. Das Haus ist von 1899 und ist schon seit vielen Jahren unbewohnt. Jetzt will Frank Walter dem historischen Schätzchen wieder neues Leben einhauchen – und alles komplett restaurieren.
Auch ein historisches Steinhaus von 1597 in Uttum in Ostfriesland wird vom Monumentendienst betreut. Es ist eines der ältesten Häuser in Ostfriesland. Das schmucke Haus gehört dem 90jährigen Jürgen Ahrend. Er ist Orgelbauer und hat in der angrenzenden Gulfscheune eine kleine Werkstatt eingerichtet. Der alte Mann ist unglücklich und ärgerlich, denn der Bauunternehmer, der ihm sein Dach eindeckte, hat die falschen Ziegel genommen – das Dach ist nicht dicht. Darum will er jetzt alle 4 000 Dachpfannen wieder herunternehmen und durch andere ersetzen. Als Restaurator ist das für ihn eine Ehrensache. Alte Ziegel findet er wo? Im gut sortierten Lager des Monumentendienstes in Oldenburg.
Kai Nilson aus Dornum-Nesse hat ebenfalls eine Inspektion vom Monumentendienst bekommen. Er ist Architekt und Denkmalpfleger und hat in den letzten vier Jahren fünf Häuser in seinem Dorf restauriert. Zusammen mit Ehemann Franz Scheid ist er aus Köln nach Ostfriesland gekommen und in eine alte Häuptlingsburg gezogen. Das imposante Gebäude gehört zu den drei ältesten Häusern Ostfrieslands – Spuren lassen sich bis ins Jahr 1342 verfolgen. Kai Nilson liegt viel daran, dass die historische Baukultur Ostfrieslands erhalten bleibt. Er führt auch Denkmalschutz-Experten und Bauhistoriker bei einer Exkursion durch die Dörfer entlang der Küste. Es ist eine der ersten Aktionen eines neu gegründeten Arbeitskreises, der die Eigentümer von historischen Gebäuden beraten soll. Unter Federführung der „Ostfriesischen Landschaft“ soll der Arbeitskreis die Eigentümer künftig unterstützen – mit wertvollen Tipps zu Förderanträgen, in steuerlichen Belangen und im Umgang mit den Behörden.
Carsten Hermeling hat in Lastrup im Landkreis Cloppenburg einen Mehrgenerationenhof geschaffen. Insgesamt fünf alte Häuser hat er bereits irgendwo abbauen lassen und dann auf seinem Grundstück wieder neu errichtet. In Aschen bei Diepholz hat er einen alten Pferdestall entdeckt, den er für wenig Geld kaufen konnte. Der Monumentendienst hat das Gebäude unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die Eichenbalken des Fachwerks noch zu verwenden sind. Carsten Hermeling will den Mehrgenerationenhof mit einem Seminarhaus ausstatten. Das Fachwerk des Pferdestalls kann er dafür wieder verwenden. Wie nachhaltig der Monumentendienst arbeitet, beweisen die Inspektoren Horst Ubben und Michael Flatken. Sie haben in einem Abbruchhaus eine alte Tür gesichert, die nun wieder in das neue Seminarhaus eingebaut wird.
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