Die Boßelmeister
KBV Reepsholt dominiert den Friesensport
Boßeln ist Volkssport Nummer eins in Ostfriesland – und die erfolgreichsten Akteure kommen aus dem kleinen Dorf Reepsholt. Fünfmal in Folge ist die erste Herren-Mannschaft schon Meister geworden – ihre Dominanz erinnert an die von Bayern München. Im 800-Seelen-Dorf dreht sich im Winter alles um den Friesensport. „Boßeln ist eine Leidenschaft, hier in Ostfriesland wächst man damit auf“, sagt Frank Heyen. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins und wirft in der
1. Herren-Mannschaft. Auf ihrer Heimstrecke sind die Boßler seit mehr als 75 Spieltagen ungeschlagen – die letzte Niederlage gab es am 18. März 2007. Doch in diesem Jahr wird es schwierig – die Gegner sind besser geworden und einige Abgänge müssen verkraftet werden. „Es wird ein bisschen knapper, wir müssen mal gucken, wie es läuft“, sagt Mannschaftskapitän Matthias Rahmann.
Zum Auftakt der Saison fährt Männer I zum direkten Konkurrenten nach Dietrichsfeld. Im Bus wird ein Zeitungsartikel herumgereicht, in dem geschrieben wird, dass alle Mannschaften jetzt Jagd auf Reepsholt machen. Der fünfmalige Titelträger steht unter Druck. Im Wettkampf auf der Straßenstrecke in Dietrichsfeld geht es an diesem Tag gleich um Alles. In vier Gruppen wird gespielt – zwei werfen mit der Holzkugel, zwei Gruppen mit Gummi. Und in jeder Gruppe werden die Schöts, also die Punkte, gezählt. Ein Schöt wird immer dann erzielt, wenn eine Mannschaft mit einem Wurf weiter kommt als der Gegner mit zwei. Jede Gruppe zählt für sich – einen Schiedsrichter brauchen die Friesensportler nicht. Am Ende werden die Ergebnisse aus allen vier Gruppen zum Gesamt-Resultat addiert. In Dietrichsfeld ist der Wettkampf ausgeglichen und spannend bis zum Schluss. Am Ende gibt es ein Unentschieden. Für Reepsholt alles andere als ein Auftakt nach Maß. Es kann nur besser werden.
Einige Tage später ist Frank Heyen mit seiner Jugend-Mannschaft unterwegs. So ist das in Reepsholt. Die Männer und Frauen aus den Erwachsenen-Teams trainieren die Jugendlichen. Die Nachwuchsarbeit ist sehr wichtig, da die Angebote für junge Leute immer vielfältiger werden und sich immer weniger Kinder für das Boßeln entscheiden. „Vor 40 bis 50 Jahren gab es nur Fußball und Boßeln, das hat sich verändert. Heute können die Kinder unter etlichen Sportarten frei wählen“, sagt Frank Heyen. Außerdem sei es immer schwieriger, ehrenamtliche Betreuer zu finden. Nach dem Punktspiel geht Frank Heyen mit seiner Mannschaft ins Schuhhaus Carls.
Boßler aus ganz Ostfriesland kommen nach Reepsholt, um in diesem Laden ihre Schuhe, ihre Trainingsanzüge und vor allem ihre Boßelkugeln zu kaufen. Juniorchef Deeke Carls hat nebenan auch noch einen Online-Shop eröffnet und verschickt Boßelkugeln und Zubehör in die ganze Welt. Das Geschäft hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Er setzt damit das fort, was sein Großvater einmal begonnen hat. Seine Kunststoff- und Gummikugeln stellt Deeke Carls inzwischen selbst her – in einer Fertigungsanlage in Nordrhein-Westfalen. Das Material der neuen Kugeln ist widerstandsfähiger als das der traditionellen Pockholzkugeln.
Wenn die Boßelsaison in Ostfriesland in vollem Gange ist, dann herrscht im Schuhhaus Carls in Reepsholt Hochbetrieb. In diesem Jahr bekommen alle Vereinsmitglieder des KBV Reepsholt neue Trainingsanzüge – zusammen über 400 Teile. Heute ist die Jugendmannschaft dran. Die Angestellten lassen sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Wenn jemand auf die nächste freie Verkäuferin warten muss, bekommt er an einem kleinen Tisch erstmal einen Ostfriesen-Tee eingeschenkt.
Von Zeit zu Zeit macht sich Deeke Carls auf den Weg nach Mittegroßefehn, um neue Pockholzkugeln zu holen. Heinrich-Jürgen Eden ist der letzte Drechsler in Ostfriesland, der die Boßelkugeln noch in Handarbeit herstellt. Er hat sie früher schon für Deekes Opa gefertigt – bis zu
3 000 Stück sind es immer noch pro Jahr. Viele Hobby-Boßler werfen immer noch gerne mit Holz – zudem verschenken die Ostfriesen die Holzkugeln auch gerne als schöne Erinnerung an vergangene Zeiten.
An den Wochenenden sind die Straßen in Reepsholt voller Friesensportler – von der F-Jugend bis zur Senioren-Mannschaft – von 8 bis 80 Jahren – Männer und Frauen. Claudia Heyen und Meike Müller spielen bei den Frauen – darüber hinaus trainieren sie aber auch die Kleinsten – die F-Jugend. Die Jugendarbeit sei schwierig geworden, sagt Meike Müller, aber: „Wenn man erst mal wieder eine kleine Truppe zusammengestellt hat, dann ziehen auch oft noch welche nach.“ Einige Reepsholter boßeln schon ihr ganzes Leben lang, wie Harm Harbers. Er ist inzwischen 81 Jahre alt, wirft aber noch jede Woche in der Altersklasse Männer V. Schon mit zehn Jahren hat er mit dem Friesensport angefangen: „Das Wichtigste am Boßeln ist die Freundschaft!“.
Und das zeigt sich auch jeden Sonntag nach den Wettkämpfen. Die Gegner kommen dann mit ins Vereinslokal – trinken noch ein Bierchen und pflegen so das Miteinander. Hinter der Theke steht Hero Hinrichs. Er ist Wirt und Musiker – tingelt an den Wochenenden als Alleinunterhalter durch die Kneipen Ostfrieslands. Wenn die erste Mannschaft gewonnen hat, dann holt Hero auch wohl mal sein Schifferklavier hervor und bringt den Laden in Stimmung. Und dann singen sie alle aus voller Brust: „In Ostfreesland ist am besten…“
Wiederholung: 18. Januar 2016 um 13.00 Uhr, NDR-Fernsehen
Wow, sehr toller Film. Danke für die Werbung für den Boßelsport.
Ein super Film ist dir wieder gelungen, so wie es bei uns im Dorf eben wirklich abläuft. Das ist nichts gestellt sondern eben Realität. Ostfriesland wie es lebt, hoffentlich geht diese Tradition noch lange so weiter.
Ich möchte dir ein dickes Lob für den Film über unseren Verein und das Bosseln aussprechen!!!
Habe gestern mit Begeisterung den Film geguckt, leider war er schon nach 30 Minuten zu Ende.
Du hast es so dargestellt, wie es ist und nicht die Vorurteile der Anderen bestätigt.
Perfekte Werbung für unseren Verein und das Bosseln.
Wünsche dir weiterhin viel Erfolg, bei deinen nächsten Projekten.
Ihr Film über das Boßeln in Reepsholt hat in der Bevölkerung großen Anklang gefunden. Nicht nur die Mitglieder des KBV Reepsholt sind von Ihrem Filmbeitrag begeistert, sondern auch Friesensportler anderer Vereine und ebenso die Mitglieder des Vorstandes des Kreisverbandes Friedeburg. Besonders gelobt wurde die zeitgemäße Darstellung des Boßelsports und die menschliche und freundschaftliche Atmosphäre innerhalb des Vereins.
Weiter so.