Der fliegende Artenschützer
Wolfgang Herkt führt eine Wildtierstation und ist Pilot bei der Seehundzählung
Wolfgang Herkt hat sich fast sein ganzes Leben um verletzte und hilflos aufgefundene Wildvögel gekümmert. Auf seinem Gelände am westlichen Stadtrand von Osnabrück leitet der 73jährige Naturfreund die bundesweit erste und damit älteste Artenschutz-Betreuungsstation. Auf seinem sieben Hektar großen Stationsgrundstück mit Grünlandflächen, kleinen Waldstreifen, Streuobstwiesen, alten Laubbäumen, Flachwasserzonen und Teichen werden die besonders geschützten Wildvögel in Rehabilitationsvolieren auf ihre Wiederauswilderung vorbereitet.
Rund 500 Wildtiere werden hier pro Jahr von Wolfgang Herkt und seiner Tochter Birge betreut. Ihre Auswilderungsquote liegt bei rund 85 Prozent. Viele Fachleute stufen die Arbeit der Station als bemerkenswerten nachhaltigen Beitrag zur Biodiversität ein. 365 Tage und beinahe rund um die Uhr ist Wolfgang Herkt ansprechbar. Er sieht seine Hilfsleistungen als selbstverständlich an, auch weil die eingelieferten verletzten Tiere fast ausschließlich Opfer von Zivilisationseinrichtungen wie beispielsweise Stacheldraht, Stromleitungen, Glasfronten und Verkehr sind. Das war vor 52 Jahren auch ein Anlass, dass Wolfgang Herkt mit seiner Frau Heidi die Wildtierstation gründete. Die ehrenamtliche geführte Station wurde 1978 mit dem Eulen-Runderlass des Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium (ML) auch staatlich anerkannt.
Ein Jahr zuvor wurde der Textilunternehmer Wolfgang Herkt, der durch sein Artenschutz-Engagement bekannt geworden war - gebeten, den Vorstand des 1875 in Osnabrück gegründeten Tierschutzvereins zu übernehmen, der seinerzeit wirtschaftlich am Boden lag. Nunmehr seit 38 Jahren ist er Vorsitzender des Vereins – außerdem war er etliche Jahre im Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen ehrenamtlich tätig. Auf die Frage nach dem Warum seines Engagements zitiert Wolfgang Herkt Molière: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“
Von Anfang an galt ein besonderes Augenmerk allen vorkommenden Eulenarten, insbesondere dem Uhu, der seinerzeit fast durch die Menschen ausgerottet worden war. Wolfgang Herkt, der schon in den 60er Jahren Uhus gesund pflegte und wieder auswilderte, gilt bundesweit als Experte für diese Greifvogelart. Ein weiterer Schwerpunkt der Station ist die Wiederauswilderung gesundgepflegter Weißstörche. Uhu und Weißstorch sind somit auch die Wappenvögel des von Wolfgang Herkt und einem Freundeskreis gegründeten gemeinnützigen Vereins.
An seiner Seite wirkt seit 20 Jahren auch Tochter Birge – sie ist Tierärztin, promovierte unter anderem über Störche. In einer gesondert errichteten Vogelklinik mit angrenzendem Betreuungsgebäude behandelt sie die verletzten und krank gelieferten Patienten. Birge Herkt ist auch die offizielle ehrenamtliche Storchenbetreuerin in der Region. Jedes Jahr klettert sie mehrfach auf die Storchennester, um diese von Unrat zu befreien, die Jungstörche zu untersuchen und schließlich zu beringen. Auf dem Stationsgrundstück hat sich eine Weißstorchkolonie mit derzeit 13 Brutpaaren entwickelt. Westlich der Wesermarsch gibt es in Norddeutschland keine vergleichbar große Kolonie von Weißstörchen, die sich und ihren Nachwuchs ausschließlich aus dem reichen Beuteangebot aus der Umgebung des Brutstandorts ernähren.
In der Wildtierstation steht das Telefon nicht still – 50 und mehr Anrufe am Tag sind keine Seltenheit. Vor allem im Frühjahr und bei Kälteperioden mit hohen Schneelagen läutet mehrfach stündlich das Telefon. Dann rufen besorgte Bürger, die Polizei, die Feuerwehr, Tierarztpraxen der weiten Umgebung an, weil wieder irgendwo ein verletztes Wildtier entdeckt wurde. Bei größeren Greifvögeln und bei Reihern, Störchen oder Kranichen fährt Wolfgang Herkt dann selbst raus, um die durchaus noch wehrhaften Tiere zu bergen. Andere Patienten werden zum Teil auch von tierliebenden Bürgern in die Station gebracht.
Aber Familie Herkt kümmert sich nicht nur um die Wildtierpatienten, zu denen beispielsweise auch Rehe, Hasen und Eichhörnchen gehören. Seit Mitte der 80er Jahre sind Wolfgang Herkt und Ehefrau Heidi auch als ehrenamtliche Piloten und Zähler im niedersächsischen Seehund-Monitoring tätig. Dann fliegen sie mit einer Cessna 182 über das Wattenmeer und zählen zwischen Juni und August die Bestände der Seehunde und Kegelrobben.
Wiederholung: Dienstag, 07. Juli 2015 13.05 Uhr, NDR-Fernsehen
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