Bauern, Blüten, Bienenvölker
Immer mehr Landwirte sind offen für den Naturschutz
Wer früher mit dem Auto über die Landstraße fuhr, musste am Ende des Tages unbedingt seine Windschutzscheibe reinigen, weil sie übersät war von toten Insekten. Das ist heute nicht mehr so. Die Gesamtmasse an Fluginsekten hat zwischen 1989 und 2016 um mehr als 75 Prozent abgenommen. Naturschützer schlagen Alarm - viele Politiker haben das Problem erkannt – es gibt inzwischen immer mehr Förderprogramme für Wildblumenwiesen und Blühstreifen. So mancher Landwirt hat längst erkannt, dass diese Art von aktivem Naturschutz sich durchaus bezahlt machen kann. Die Folge: Überall in Niedersachsen blüht es – und jedes Jahr wird es mehr. Wir wollen anhand von drei Beispielen aufzeigen, wie Landwirtschaft mit Wildblumen funktioniert, wie die Bauern profitieren, welche Insekten dadurch gerettet werden und wie man mit Blumen auch Tiere füttern kann.
Wenn Landwirte ihre Äcker mit so genannten Blühstreifen versehen, hilft das nicht nur den Insekten. Die Bauern verdienen neuerdings auch Geld damit. Zwischen 700 und 1000 Euro pro Hektar kassieren sie vom Land Niedersachsen. Das Programm ist schon jetzt ein Erfolgsmodell. Seit 2014 hat sich die Fördersumme auf jetzt zwölf Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppelt. Im Jahr 2019 nahmen mehr als 3 900 landwirtschaftliche Betriebe aus Niedersachsen an dieser freiwilligen Agrar-Umwelt-Maßnahme teil – Tendenz weiter steigend!
Aber nicht nur Landwirte machen mit bei dieser Art von Naturschutz. Wohl einzigartig sind die beiden Blühstreifenmanager Friedrich Homann und Hanna Clara Wiegmann im Landkreis Löningen bei Osnabrück. Denn bei ihnen können Gartenbesitzer, Landwirte und Kommunen ihre Grünflächen kostenlos in blühende Wiesen verwandeln. Die Idee hinter dem Projekt des örtlichen Tourismusverbandes ist, dass er mit Hilfe der Blühstreifenmanager möglichst viele blühende Flächen in der Region etablieren kann, um Touristen anzulocken und gleichzeitig etwas gegen das Insektensterben zu tun. Dafür müssen die beiden aber passende Flächen finden.
Seit zwei Jahren sind sie beim Zweckverband Erholungsgebiet Hasetal tätig – finanziert mit EU-Mitteln. Ihre Aufgabe: Das Hasetal zur blühenden Landschaft machen. Sie wollen einerseits etwas für die Insekten tun, zum anderen aber auch die vielfältige Kulturlandschaft erhalten und den Tourismus fördern. Zusammen mit den Gemeinden sorgen sie nun dafür, dass die Radwege im Hasetal durch blühende Wildblumen für Touristen noch attraktiver werden. Saatgut und Maschinen sind kostenlos – Bauern und Gemeinden stehen Schlange. Die Flächen haben sich in einem Jahr verdreifacht - 242 Wiesen wurden im vergangenen Jahr neu angesät.
In Rettmer bei Lüneburg ist Landwirt Jochen Hartmann Teil des deutschlandweit laufenden Forschungsprojektes FRANZ – das steht für: „Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft:“ Hartmann ist der einzige Bauer aus Niedersachsen, der sich daran beteiligt. Der konventionelle Landwirt testet Blühstreifen, Insektenwälle und blühende Untersaaten auf seinen Feldern aus. In den Sommermonaten kommen immer wieder Wissenschaftler zu ihm, um zu erforschen, welche Schmetterlinge, Käfer und Insekten hier leben und was eine blühende Wiese entlang von riesigen Getreide- und Kartoffelfeldern bringen kann.
Aber müssen die Wildblumen und Blühstreifen denn immer nur (mit teuren Förderungen) angepflanzt werden, nur um den Insekten zu helfen? Oder kann man mit blühenden Pflanzen auch seine Tiere füttern oder Energie erzeugen? Die Antwort lautet: Ja, das geht! Es gibt nach Aussage der Landwirtschaftskammer einen eindeutigen Trend. Immer häufiger werden die Blüten von Raps, Mohn, Senf, Klee oder Sonnenblumen als Futter für Kühe genutzt. Und auch die Biogas-Anlagen stellen immer häufiger um von Mais auf Wildblumen.
In Wiesedermeer in Ostfriesland hat Landwirt Gerd Hinrich Groß die Milchviehhaltung hinter sich gelassen und baut jetzt eine noch weitestgehend unbekannte Pflanze an. Die Silphie ist eine gelb blühende Feldpflanze. Sie bietet nicht nur Nahrung für Insekten, sondern könnte sogar die Biogasproduktion revolutionieren. In Niedersachsen gibt es schon knapp 300 Hektar mit Silphiepflanzen. Gerd Hinrich Groß möchte sie aber noch bekannter machen. Der große Vorteil der Pflanze: Sie muss nur ein einziges Mal ausgesät werden. Dann kommt sie bis zu 30 Jahre wieder. Das spart Arbeit und Geld. Doch noch ist sie relativ unbekannt – und das Saatgut ist teuer. In Niedersachsen macht sie weniger als ein Prozent der Biogasproduktion aus.
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium sieht im Anbau von Silphie dennoch eine viel versprechende Alternative für die Zukunft. Gerd-Hinrich Groß weiß aus Erfahrung, dass die Gasausbeute um rund zehn Prozent niedriger ist als beim Mais. Trotzdem geht auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen davon aus, dass sich der Anbau durch die geringere Feldbearbeitung schon nach sechs bis sieben Jahren lohnt.
Die „Nordreportage“ zeigt wie sich Landwirte, Kommunen und Privatleute für blühende Wiesen und Felder einsetzen. Mit ganz unterschiedlichen Ansätzen kämpfen sie für Artenvielfalt und gegen das Insektensterben.
Gedreht wurde die Dokumentation vom Frühling bis zum Herbst 2020 in Löningen.
Gefördert mit Mitteln der nordmedia - Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.
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